Im Reich der Meringues

Unterwegs mit

Christoph Frutiger, FRUTAL Bäckerei Meiringen

In der FRUTAL Versandbäckerei in Meiringen werden pro Jahr über 30 Tonnen Meringues hergestellt. Wir haben dem Geschäftsinhaber Christoph Frutiger bei der Produktion des Schaumgebäcks über die Schultern geschaut.

Wir wollen uns mit Christoph Frutiger in der Meringues Produktion an der Hausenstrasse 73 in Meiringen treffen. Und so gebe ich vor der Abfahrt ins Haslital die Adresse ins Navi des Autos ein. «Sind wir hier richtig», frage ich unsere Fotografin, als wir gefühlt ganz in der Nähe sind. Nur Sekunden später erblicken wir an einer Hauswand grossgeschrieben: «Willkommen in Meiringen – Geburtsort der Meringues». Ziel erreicht. Wir betreten die Produktionshalle. Es riecht bereits lecker. Kein Wunder, im Eingangsbereich sind zahlreiche frisch verpackte Meringues ausgestellt. Christoph Frutiger begrüsst uns. Der 57-Jährige ist Geschäftsinhaber der FRUTAL Versandbäckerei. Heute dürfen wir ihm bei der Arbeit in der «Backstube» über die Schultern schauen. Dafür begeben wir uns in den hinteren Bereich der Halle.

Nur Eiweiss und Zucker

Christoph Frutiger wäscht sich die Hände, die Zutaten hat er bereits gerüstet. Wer Meringues macht, braucht keine grosse Einkaufsliste. Auf der Theke steht ein Messbecher, gefüllt mit drei Liter Eiweiss. «Viele Proteine, Meringues sind eigentlich ganz gesund», sagt der gelernte Bäcker. Dann lacht er – und zeigt auf eine Schüssel. Zucker. Ganze sechs Kilogramm. Aus der Traum vom gesunden Dessert. Die beiden Zutaten – mehr braucht es nicht – gibt Christoph Frutiger in den grossen Behälter des Rührwerks. «Früher haben wir noch alles von Hand gemacht», erinnert er sich zurück, mittlerweile hat er zehn Minuten «Pause», während die Maschine das Eiweiss und den Zucker rührt, bis die Masse die richtige Konsistenz hat.

Christoph Frutiger

An einem Sonntagabend, wenn ich ganz alleine hier bin, kann ich beim Meringues backen so richtig abschalten, entspannen.

CHRISTOPH FRUTIGER Frutal Bäckerei Meiringen

Lange, sehr lange Arbeitstage

Die FRUTAL Versandbäckerei ist ein klassischer Familienbetrieb. Christoph Frutiger hat schon als kleines Kind in der Backstube mitgeholfen. «Für mich war immer klar, dass ich einmal Bäcker werden will», sagt er. Vor zehn Jahren hat der ehemalige Bodybuilder zusammen mit seiner Frau Erika Frutiger die Firma – den Verkaufsladen inklusive Tea Room im Dorf, die Bäckerei-Produktion und die Meringues-Produktion – schliesslich von seinem Vater übernommen. 32 Mitarbeiter*innen beschäftigt er heute. Das Geschäft läuft, die ferne Zukunft aber ist ungewiss. Die Kinder von Christoph Frutiger haben früher auch im Betrieb mitgeholfen, doch mittlerweile arbeitet der Sohn als Banker, die Tochter als Chemielaborantin.

Kein Zuckerschlecken: Die Arbeitstage in einer Bäckerei sind lang.


15 Bleche à 66 Meringues

Christoph Frutiger stoppt das Rührwerk. «Probiert mal», sagt er. So mag ich die Masse am liebsten, fast wie bei einem Schokokuss.» Für die Meringues muss er die Maschine aber noch ein wenig weiterlaufen lassen. «Das Eiweiss verhält sich nicht immer ganz gleich», erklärt der Fachmann. Zwei, drei Minuten später ist er mit der Konsistenz zufrieden. Je nach Bedarf mischt Christoph Frutiger nun noch das entsprechende Aroma darunter. Dabei sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Von Kokosnuss über Schokolade, Himbeere, Banane, Ananas, Baileys, Vanille, Caramel, Heidelbeere bis zu Christoph Frutigers persönlichen Favorit: Rosa Pfeffer. «Zusammen mit Vanilleglace und Rahm ein echter Leckerbissen.» Doch noch fast lieber als Meringues zu essen, kreiert Christoph Frutiger, der das Süssgebäck zwar mag, sich aber eher als Schokoladenliebhaber bezeichnet – neue Variationen. «An einem Sonntagabend, wenn ich ganz alleine hier bin, kann ich dabei so richtig abschalten, entspannen.» Und so gibt es mittlerweile auch Meringues für Veganer und Veganerinnen sowie Diabetiker und Diabetikerinnen.

Wir verzichten auf ein Aroma, machen die kleine Meringues nature für die sogenannten «Gschnöisi-Seckli». Und so kommt nun die eigentliche Meringues-Maschine zum Einsatz, die man in Italien hat anfertigen lassen. Christoph Frutiger gibt die weisse Zucker-Eiweiss-Masse in die Maschine, drückt ein paar Knöpfe, legt ein Blech darunter – und schon kann es losgehen. Kein Spritzsack mehr, keine lange Prozedur. Nach wenigen Sekunden nimmt er bereits das erste volle Blech von der Maschine. Ein paar Minuten später steht vor uns ein Wagen mit 15 Blechen à je 66 Meringues.

Sie belegt Blech um Blech: Die Meringues-Maschine.

Eine Meiringer Errungenschaft?

Die Meringues-Produktion ist das Aushängeschild der FRUTAL Versandbäckerei. Allein für die süsse Versuchung werden in Meiringen pro Jahr 20 Tonnen Zucker und 15 000 Liter Eiweiss verarbeitet. Im Geburtsort der Meringues – wie wir es an der Hauswand bei unserer Anfahrt gelesen haben. Die luftigen Eiweissschalen hat der italienische Zuckerbäcker Gasparini angeblich um 1600 in Meiringen erstmals als Dessert kreiert. In Anlehnung an das Dorf benannte er seine süsse Erfindung Meringues. Der Nachweis dazu ist vor dem zweiten Weltkrieg im Museum für kulinarische Kunst in Frankfurt entdeckt worden. Leider fielen die entsprechenden Dokumente dem Krieg zum Opfer. Die süsse Versuchung soll dann von Meiringen aus ihren Siegeszug durch ganz Europa angetreten haben. Heiss geliebt war sie sowohl am französischem als auch am britischen Königshof. Königin Elisabeth I. soll von der Meringue als einen «Kiss» geschwärmt haben. Dies sprach sich wohl bis nach Frankreich herum, weshalb das Gebäck dort als Baiser, also «Kuss» bekannt ist.

Vermutlich in Meiringen erfunden: Die Meringues.

Für acht Stunden in den Ofen

Doch zurück zu unseren Meringues für ins Gschnöisi-Seckli und zum letzten Schritt der Produktion – dem Trocknen des Schaumgebäcks. Christoph Frutiger schiebt den Wagen in einen rund zwei Meter hohen Ofen. Eingestellt ist er auf 480 Minuten. Bei knapp über 100 Grad werden die Meringues nun also acht Stunden lang getrocknet.

 
Der letzte Schritt: Die Meringues müssen für acht Stunden in den Ofen.

Im Guinness Buch der Rekorde

Etwas länger trocknen mussten die Weltrekord-Meringues 1985. Sie sind allgegenwärtig in der Produktionsstätte und an den anderen beiden Standorten. Aus 2500 Eiweiss und 120 Kilogramm Zucker wurden vor fast 40 Jahren in Handarbeit zwei Riesen-Meringues hergestellt. Sie waren je 2.40 m lang, 1.50 m breit und ca. 1 m hoch. Die Herstellung und insbesondere das Trocknen in einer Sauna (!) nahmen ganze acht Monate Zeit in Anspruch. An einem grossen Volksfest wurde die Süssigkeit schliesslich mit 80 Liter Rahm innert drei Stunden von der Haslitaler Bevölkerung verzehrt. Der Berner Mundart Rockstar Polo Hofer hatte eigens für dieses Ereignis den «Meringues-Song» komponiert. Mit der grössten Meringues der Welt stehen die Frutigers bis heute im Guinnessbuch der Rekorde.

 
Die grösste Meringues der Welt: Seit 1986 im Guinness-Buch der Rekorde.

Ein Gschnöisi-Seckli auf den Heimweg

Es wäre übertrieben, jetzt acht Stunden auf das Endprodukt zu warten, aber wir schauen noch im Verkaufsladen im Dorf vorbei, wo nebst anderen süssen Leckereien in den nächsten Tagen auch «unsere» fertig, verpackten Meringues zum Kauf angeboten werden. Vorher aber verabschieden wir uns von Christoph Frutiger. Er lässt es sich nicht nehmen, uns noch ein «Gschnöisi-Seckli» mit auf den Weg mitzugeben. Unter uns: Der Inhalt hat den Tag nicht überlebt.

 
Selbst erleben
Interessiert an einer Führung?

Die Meringue-Produktion in Meiringen kann besichtigt werden. Die ca. einstündigen Führungen eignen sich ideal für Firmenanlässe, Vereine oder Gruppenausflüge. Anmeldung: 033 971 10 62, Dauer: ca. 1 Stunde.

Kinder backen Meringues

In der Meringue-Produktion der FRUTAL Versandbäckerei können in Zusammenarbeit mit Haslital Tourismus Kinder, aber auch Erwachsene, ihre eigene Meringues kreieren. Wann: Jeden Mittwochmorgen von Juli bis Oktober. Dauer: ca. 10 bis 11.30 Uhr.

Mehr Informationen

Fotos: Sina Fuchser
Story: Raphael Hadorn
Frühling 2023

Kontakt
Tea Room Frutiger

Verkaufsladen Konditorei
Bahnhofstrasse
3860 Meiringen
Tel. +41 33 971 18 21
info@frutal.ch

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