An der Generalversammlung der Jungfrau Region Tourismus AG ist Barbara Hofer zur neuen Präsidentin gewählt worden. Wir haben uns mit ihr sowie Alex Rufibach, Präsident Haslital Tourismus und Marc Ungerer, Geschäftsführer Jungfrau Region Tourismus, zum Gespräch getroffen.
Die Akzeptanz des Tourismus im Haslital ist kein Selbstläufer, da auch andere bedeutende Branchen eine starke Präsenz haben. Wie geht ihr mit dieser Herausforderung um?
Barbara Hofer
Die Herausforderung ist vielschichtig: Das Haslital ist später zur Jungfrau Region gestossen – und mit fünf involvierten Gemeinden ist die Ausgangslage komplex. Zudem sind nicht alle Gemeinden gleich stark «tourismusabhängig». Gleichzeitig bringt das Haslital eine wertvolle Ergänzung in die Region mit eigenständigen Angeboten.
Marc Ungerer
Das macht es in der Tat schwieriger als in der restlichen Jungfrau Region. Andererseits sehen wir dadurch auch nicht diese «Überhitzung» touristischer Hotspots wie etwa in den Lütschinentälern zu Peak-Zeiten. Insgesamt ist das Haslital meiner Meinung nach dadurch resilienter – das hat man auch in der Pandemiezeit sehr gut sehen können.
Alex Rufibach
Ein guter Punkt. Wir hatten während der Pandemie keinen Totaleinbruch, sondern nur einen Rückgang von wenigen Prozent. Für den Vorstand und die operativ tätigen Mitarbeitenden von Haslital Tourismus ist es jedoch eine riesige Herausforderung, bei den meisten Partnern konstant und immer wieder an der Akzeptanz zu arbeiten – und für den Tourismus zu werben. Wir wenden sehr viel Zeit und Energie für die «Grundlagenarbeit» auf.
Mit seinem hohen Schweizer Gästeanteil ist das Haslital schon fast ein «Exot» in der Jungfrau Region. Wie geht ihr mit diesen Unterschieden in der täglichen Vermarktung um?
Barbara Hofer
Das Haslital ist in der Marketing-Kommission eingebunden und bringt seine Perspektiven aktiv ein. Es profitiert stark davon, gezielt auf ein inländisches Publikum ausgerichtete Angebote zu positionieren – insbesondere dort, wo das Bedürfnis nach Authentizität, Ruhe und Nähe zur Natur gefragt ist. Diese Differenzierung stärkt die gesamte Region.
Marc Ungerer
Das ist auch ein Faktor, wovon letztlich die touristisch stärkeren Orte in unserem Mehrmarkensystem vom Haslital «profitieren» können. Ein positiver Image-Transfer findet von der starken Schweizer Positionierung des Haslitals innerhalb der Jungfrau Region auf die stark international ausgerichteten Ortsmarken der Lütschinentäler statt. Gerade im Lauterbrunnental möchten wir sehr gerne den Anteil Schweizer Gäste ausbauen.
Alex Rufibach
Viele Leistungsträger im Haslital sehen die intensive Bearbeitung der Fernmärkte nicht als Priorität. Im Tagesgeschäft hat dies für uns zur Folge, dass wir marketingmässig etwas auf uns allein gestellt sind und nur im kleinen Rahmen unseres Ortsmarketingbudgets Aktivitäten planen und finanzieren können, die für uns beziehungsweise für unsere Leistungsträger direkte Wirkung versprechen.
Warum profitiert das Haslital dennoch von der Zugehörigkeit zu Jungfrau Region Tourismus?
Barbara Hofer
Das Haslital profitiert auf mehreren Ebenen: Einerseits bringt die internationale Strahlkraft der gesamten Destination zusätzliche Nachfrage ins Haslital, gerade bei den Logiernächten. Andererseits kann Haslital Tourismus auf zahlreiche Dienstleistungen im Rahmen des Leistungsauftrags zugreifen, die in Eigenregie kaum realisierbar wären – nebst der Marktbearbeitung auch im digitalen Bereich oder bei strategischen Projekten. Besonders positiv ist dabei die Mehrmarkenstrategie: Sie sorgt dafür, dass jede Destination mit ihren Stärken und ihrer Identität optimal abgebildet wird. Das kommt am Ende allen zugute.
Marc Ungerer
Das kann ich nur unterstützen. Wenn man sich die Entwicklung der Quellmärkte des Haslitals seit Gründung der Destination vor zehn Jahren ansieht, dann hat sich aus Fern- und Entwicklungsmärkten im Haslital ein stabiler Anteil an Gästen entwickelt. Dieser hat sich noch nicht ganz auf den Stand von vor der Pandemie erholt, aber das wird sicher passieren.
Die Gästemärkte sind sehr unterschiedlich bezüglich ihrer Besucherzahlen. Und das touristische Angebot?
Barbara Hofer
Gerade die Vielfalt der Angebote macht den Reiz der gesamten Destination aus. Das Haslital setzt bewusst auf natur- und familiennahe Erlebnisse sowie auf Naherholung – das ergänzt das touristische Profil der Region ideal. Entscheidend ist, dass wir Unterschiede nicht als Widerspruch, sondern als Bereicherung begreifen.
Marc Ungerer
Das zeigt sich zum Beispiel auch daran, dass sich Gäste im Haslital im Infocenter Meiringen sehr oft nach den Ausflugsmöglichkeiten in Grindelwald und dem Lauterbrunnental erkundigen.
Alex Rufibach
Die touristischen Angebote im Haslital, in der Jungfrau Region und im nahen Umfeld sind «einzigartig vielfältig». So viele hochwertige Erlebnisse findet man sonst wohl nirgends auf so kleinem Raum. Hier zeigt sich, dass die Gäste von heute weit über Regions- und Destinationsgrenzen hinaus unterwegs sind beziehungsweise diese nicht einmal wahrnehmen. Das funktioniert im Haslital sehr gut, da wir sehr zentral gelegen sind. In der Positionierung ist es aber eher ein Nachteil, da wir eben nicht für «das eine Erlebnis» stehen, sondern für eine grosse Anzahl und Vielfalt, die sich im Marketing nicht «auf den Punkt bringen» lässt.
Im Interview (v.l.n.r.): Marc Ungerer, Barbara Hofer und Alex Rufibach
Barbara, du bist im Juni als erste Frau überhaupt an die Spitze der Jungfrau Region Tourismus AG gewählt worden. Welche Bedeutung hat für dich das Haslital innerhalb der Tourismusorganisation?
Barbara Hofer
Wie bereits erwähnt, ist das Haslital ein wertvoller Teil der Gesamtregion. Das Angebot ergänzt die Destination sinnvoll und stärkt unsere Diversität. Entscheidend ist, dass wir diesen Mehrwert aktiv anerkennen. Gleichzeitig profitieren die weniger starken Regionen in hohem Mass von der Strahlkraft und den Investitionen der Zugpferde. Wenn wir das als gemeinsame Chance sehen, können wir die Potenziale der gesamten Destination im Interesse aller Leistungsträger optimal nutzen.
Aber nicht nur an der Spitze der JRT AG kam es zum Wechsel, auch Haslital Tourismus hat an der Hauptversammlung personelle Wechsel im Vorstand angekündigt, insbesondere wirst du, Alex, als Präsident zurücktreten. Hast du für die verbleibenden knapp fünf Monate deiner Amtszeit noch Projekte, die du aktiv verfolgst oder abschliessen möchtest?
Alex Rufibach
Bis Ende Jahr steht die Erneuerung der Leistungsvereinbarungen mit unseren Auftraggebern, den Gemeinden, an. Dieser Prozess findet zwar im Hintergrund statt, wird uns aber stark beschäftigen. Zudem werden wir einen Strategieprozess mit allen Leistungsträgern, Partnern und so weiter lancieren. Und die Nachfolgeplanung und Neuverteilung der Rollen und Aufgaben innerhalb des Vorstands ist ebenfalls ein wichtiges Thema.
Angesichts der positiven Wachstumsprognosen im internationalen Tourismus und der zunehmenden Diskussion um «Overtourism» – welche konkreten Schwerpunkte setzen Jungfrau Region Tourismus im Generellen und Haslital Tourismus im Speziellen, um diesen Herausforderungen proaktiv zu begegnen und gleichzeitig die nachhaltige Entwicklung der Region zu fördern?
Barbara Hofer
Nachhaltigkeit muss lokal beginnen – jede Gemeinde trägt Verantwortung, ihre Rahmenbedingungen aktiv mitzugestalten. Die JRT AG kann hier unterstützen und den Wissenstransfer fördern. In der Region gibt es bereits gute Beispiele, wie nachhaltige Entwicklung konkret umgesetzt wird. Wenn wir voneinander lernen und gute Ansätze übertragen, stärken wir die Resilienz und Zukunftsfähigkeit der gesamten Destination.
Marc Ungerer
Wir werden auch als Destination das Label «swisstainable» in den kommenden Jahren anstreben und sobald wir es haben, hoffentlich auch erfolgreich pflegen können. Dies bedeutet, dass wir als ganze Destination mit den zentralen Tourismusakteuren aus allen fünf Tourismusorten sehr eng in diesem Themenfeld zusammenarbeiten werden. Mit anderen Worten: Die Weichen sind bereits gestellt, dass es nicht mehr darum geht, nur blindlings das Besuchervolumen zu vergrössern, sondern wir einen qualitativ hochstehenden Tourismus und den nachhaltigen Gast ansprechen wollen.
Alex Rufibach
Jahrzehntelang hat sich das Tourismusmarketing auf die Maxime «Gäste holen – und zwar möglichst viele» reduziert. Das ist nicht mehr gefragt, heute und in Zukunft geht es darum, die Gäste zwar nach wie vor zu uns zu holen, doch die Lenkung der Gästeströme wird zunehmend mindestens so wichtig. Hier geht es um örtliche und zeitliche Einschränkungen, Verhaltensregeln, Reisezeiten und so weiter.
Die Jungfrau Region Tourismus AG ist die zentrale Organisation für den Tourismus in der Jungfrau Region und betreut die Resorts Grindelwald, Wengen, Lauterbrunnen, Mürren und – seit 2015 – auch das Haslital. In diesem Zeitraum hat sich ein stabiler Anteil an Gästen aus Fern- und Entwicklungsmärkten entwickelt. An der Generalversammlung wurde die 55-jährige Grindelwalderin Barbara Hofer zur neuen Präsidentin gewählt. Und auch an der Spitze von Haslital Tourismus steht ein Wechsel an. An der Hauptversammlung hat Alex Rufibach angekündigt, per Ende Jahr als Präsident zurückzutreten.