Geschichte
Begleitet von Schutzengeln erleidet im Jahre 1946 eine amerikanische Dakota C-53 mit zwölf Passagieren auf dem Flug von Wien nach Marseille eine Bruchlandung auf dem Gauligletscher. Unmittelbar nach der Rettung der Besatzung wird die Maschine zugeschneit. Erst seit einiger Zeit gibt der Gletscher die ersten Wrackteile des Flugzeugs frei – mit beflügelnden Auswirkungen auf die Fantasie aller, die sich vor Ort auf Spurensuche begeben…
66 Jahre
nach dem Absturz entdecken Bergsteiger 2012 den Propeller der Dakota – ein erstes von vielen Relikten des Dramas?
Wer ihn gefunden hat, darf ihn behalten. Nein, leider nicht. Der Propeller der Dakota darf nicht mit nach Hause genommen werden. Der gehört ganz dem Gauligletscher.
Immer mehr Fundstücke beleben das Drama neu.
Der Gletscher gibt sein Wissen preis
Passagiere und Besatzung wurden damals gerettet, doch wo ist ihre Maschine geblieben? Da liegt er und bräunt sich in der Sonne. Der Propeller der Dakota.
Auf dieses Drama kann Hollywood nur neidisch sein. Besser geht's nicht.
Das Medieninteresse rund um den Absturz der Dakota C-53 im Haslital sprengt alles Dagewesene: Journalisten aus aller Welt sind gekommen, stündlich wird berichtet, alle Hotels in Meiringen sind ausgebucht. Es ist die bisher grösste Rettungsaktion in den Alpen und die erste Hochgebirgsrettung aus der Luft – eine Weltsensation, über die Zeitung, Radio und Wochenschauen in alle Welt berichten.
Invasion in Meiringen
Während es heute vor allem Touristen aus aller Welt sind, die das Erscheinungsbild von Meiringen prägen, sorgen in den Schicksalstagen 1946 vor allem Journalisten und ein amerikanischer Hilfszug mit weiss getarnten Raupenfahrzeugen für grosses Erstaunen. Da patrouillieren sie durch die Strassen, die Amerikaner. Das ist ziemlich eine Sensation für die Einheimischen.
Doch wie soll ein Gletscher mit Raupenfahrzeugen bezwungen werden? Ein gewisses Kopfschütteln bei den bergkundigen Einheimischen ist definitiv zu erkennen.
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Medienvertreter und amerikanischen Soldaten bevölkern Meiringen.
Zeitungsausschnitte und Schwarzweiss-Fotos von damals finden wir bei einer Beizen-Tour durch Meiringen immer wieder.
Da gibt es wohl etwas zu berichten. Das Gauli-Drama findet ein würdiges Interesse. Medienvertreter aus aller Welt sind vor Ort.
Eine Schlagzeile jagt die nächste. Die grösste Rettungsaktion in den Alpen hält für mehrere Tage die Welt in Atem.
Es hagelt Pakete. Gar so viele, dass sich die Besatzung in Sicherheit bringen muss
Damals werfen Schweizer Piloten über der Absturzstelle Hilfspakete ab: Brot, heissen Tee, Käse, Kondensmilch, Schokolade, Kochapparate. Auch warme Kleider, Wolldecken, Verbandsmaterial und Medikamente – alles wird zuverlässig geliefert.
Später werfen auch amerikanische, englische und französische Flieger Hilfsgüter ab: Aus grosser Höhe hagelt ein wahlloses Bombardement an Brauchbarem und Unbrauchbarem nieder… das meiste Zeugs geht aber verloren und findet den direkten Weg in die Gletscherspalten. Da bleibt wohl nur zu sagen: Es ist der Wille, der zählt.
Knapp 70 Jahre später würde die Besatzung der Dakota wohl mit solchen amerikanischen Hilfspaketen bombardiert werden. Ob die Cheeseburger den Sturz aus grosser Höhe überstehen würden? Diese wären dann definitiv zu lecker, um in einer Gletscherspalte zu landen.
Schön aufpassen und nach oben schauen. Spätestens als ein 60-Kilo-Kohlesack die Dakota trifft. Von so einem Hilfspaket erschlagen zu werden, macht dann doch keinen Spass. Um das unkontrollierte Bombardement der Hilfspakete zu stoppen, schreibt die Besatzung schlicht vier Buchstaben in den Schnee: «F I N I» - oder anders ausgedrückt: Hört endlich auf.
Um die Besatzung zu retten und gleichzeitig vor den Hilfspaketen zu schützen, wird das schier Unmögliche gewagt. Die Rettung mit dem Schlitten ist unmöglich, die amerikanischen Raupenfahrzeuge unbrauchbar. Also werden Kufen an zwei Kleinflugzeuge, sogenannte Fieseler-Störche, angebracht. Wer hat’s erfunden? Natürlich die Schweizer.
Die Schweizer Piloten landen mit den Kufen auf dem Gletscher und fliegen die Verletzten auf den Flugplatz Unterbach. In acht Flügen können alle Opfer geborgen werden. Reife Leistung. Die Alpinrettung aus der Luft ist geboren.
Im Eis übernachten muss hier niemand mehr
Da steht sie. Am Ende des ursprünglichen und idyllischen Urbachtals. Die Gaulihütte. Das perfekte Ausflugsziel für alle, die eine (geführte) Tour zum Gauligletscher unternehmen möchten.
Gletscher - in fester und flüssiger Form
Die Wanderung zur Gaulihütte sorgt nicht nur landschaftlich für schöne Überraschungen. Jetzt, wo die Dakota langsam aber sicher zum Vorschein kommt, wird ja vielleicht bald auch eine abgeworfene Whiskyflasche vom Gletscherwasser heruntergespült. Die hätte jetzt ein schönes Alter.
Über Spalten und neben Bruchstücken vorbei
Achtung Gletscherspalte. Oh, da ist ja tatsächlich ein Flügel im Gletscher. Kein Problem. Die einheimischen Bergsteiger kennen den Weg - einfach schön hinterher traben. Abstürzen wollen wir hier definitiv nicht.
Brav in einer Reihe und immer schön angeseilt bleiben. Mit der Bergsteigerschule Rosenlaui geht's unter dem Bärglistock vorbei.
Let's dance. Ein ewiger Tanz zwischen den Gletscherspalten. Doch die Profis wissen, wo getanzt werden kann.
Es geht auch einfacher bergaufwärts - mit dem Helikopter natürlich. Eine Zweitagestour mit Helikopterflug zur Rosenegg und Wanderung über den Gauligletscher zu den Fundgegenständen der Dakota kling doch verlockend.
Eine Erfrischung auf der Terrasse der Gaulihütte hat nun mal jeder verdient. Einfach geniessen.
Eine alte Tante bringt die Flugnostalgie zurück.
Beim Nostalgie-Flugtag im Haslital kann mit der Tante JU über die Bergwelt der Jungfrau Region geflogen werden. Hier in Begleitung einer Froissair. Eine ideale Möglichkeit, sich ins Jahr 1946 zurückzuversetzen - natürlich ohne Absturz.
Was gibt der Gletscher als nächstes frei?
Die Natur rund um den Gauligletscher sorgt auch ohne neue Fundstücke für bleibende Eindrücke. Besonders bei einem Picknick in der freien Natur. Guten Appetit und Prost.
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Bergsteigschule Rosenlaui
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Fotos: Jungfrau Region, Bergsteigschule Rosenlaui
Story: André Wellig
Sommer 2017